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KI-generierte Geschichtsvideos: Zwischen Unterhaltung und Gefahr

Seit der Veröffentlichung von OpenAIs Video-KI Sora 2 überfluten Clips mit historischen Persönlichkeiten die Social-Media-Plattformen. Stalin stiehlt Pommes bei McDonald’s, Kleopatra verfüttert einen Verehrer an Krokodile. Roland Meyer erklärt im Interview mit dem Spiegel, warum diese scheinbar unterhaltsamen Videos gefährlich sind.

KI-generiertes Bild aus einem Sora-2-Video: Stalin klaut Pommes bei McDonald’s Foto: [KI] Sora / TikTok (Kennzeichnung durch den SPIEGEL eingefügt)

KI-Modelle wie Sora werden mit enormen Datenmengen trainiert, darunter historische Aufnahmen, Filme und Computerspiele. Die KI synthetisiert daraus jedoch keine historisch korrekte Darstellung, sondern reproduziert lediglich, wie wir uns eine Epoche vorstellen.

Besonders beliebt sind POV-Videos («Point of View»), die z.B. den Alltag eines Gladiators oder einer Passagierin auf der Titanic zeigen, als hätten diese ein Smartphone dabeigehabt. 

Gefährlich wird es, wenn Bilder als angeblich authentisch verbreitet und historische Quellen verdrängt werden. Ein erschreckendes Beispiel sind KI-generierte Bilder aus NS-Konzentrationslagern, die als vermeintlich authentisch verbreitet werden. 

Kommerzielle KI-Videogeneratoren haben laut Roland Meyer ein extremes Problem mit sexistischem und rassistischem Bias. Viele rechte politische Akteur:innen nutzen KI-generierte Bildwelten für Propagandazwecke und versprechen dabei, eine nostalgische Vergangenheit wiederherzustellen, die es so nie gab.

Die KI gewinnt aus bestehenden Bildern wiederkehrende Muster, dabei sind die deutlichsten Muster oft stereotyp und diskriminierend. Das birgt die Gefahr, dass wir ein einseitiges Geschichtsbild reproduzieren, statt neue Perspektiven zu entwickeln. Historische Forschung bedeute dagegen, Neuland zu betreten und bislang unsichtbare Personen und Geschichten in den Blick zu rücken.

"KI ist kein Fenster in die Vergangenheit, sondern rekombiniert bloß die Bilder, die wir uns bereits von der Vergangenheit gemacht haben – und die sind häufig voller Lücken, Fehler und Verzerrungen."
Roland Meyer
DIZH-Brückenprofessor für Digitale Kulturen und Künste an der UZH und ZHdK

Der DIZH-Brückenprofessor fordert kritische Medienkompetenz: Wir müssen uns bei jedem Video fragen, wer es warum und mit welcher Absicht produziert hat . Archive und Museen werden wichtiger, weil sie authentische Dokumente als Korrektiv zur Flut synthetischer Inhalte bewahren.

 

Das Interview mit Roland Meyer erschien am 15.11.25 im Spiegel